so etwas kann schon einmal passieren …
Am 12. Juni 2014 war es jetzt soweit. Mein lang gehegter Traum ging in Erfüllung. Ich war nun Eigner eines Folkebootes. Wie so häufig kam ich dazu wie die Jungfrau zum Kinde.
Es war nun nicht so, dass ich mich in den letzten Jahren intensiv auf die Suche nach einem geeigneten Boot begeben hätte. Mich durch Kataloge gewälzt, Unmengen von Informationen gesammelt, das Für und Wider abgewogen, Angeboten bewertet und verworfen hätte. Vielmehr war es die Liebe auf dem ersten Blick.
Nachdem ich die Nachricht erhalten hatte, dass mein Pferd, obgleich erst gerade sechs Jahre, nicht mehr lange zu leben hätte, brach für mich eine Welt zusammen. Ich hatte ihn erst seit gerade einmal einem Jahr und schon manche Tiefen durchschritten. Nachdem ich mehrere Wochen nicht wirklich gut zu sprechen war, reifte in mir die Überzeugung, dass alles auch einen Grund haben könnte. Zumindest war mein Pferd noch reitbar und ich war durch die Diagnose gezwungen mich mit meiner weiteren Lebensplanung auseinander zu setzen.
Da ich von klein auf mehr auf dem Wasser als auf dem Land war, mutet es schon verwunderlich an, dass ich in den letzten neun Jahren nicht ein einziges Mal zum Segeln gekommen war. Doch durch die zunehmend erdrückende und mich auch häufig an meine Grenzen bringende Arbeitsbelastung in meiner Apotheke hatte ich nur wenig Zeit für meine Hobbys. Ich arbeitete immer mehr. Auch wenn ich nach aussen immer versuchte das Bild des entspannten, auf ein relaxtes und gutes Leben fixierten Menschen zu geben, hatte ich doch in Wahrheit kaum noch Zeit für irgendein Hobby.
Ich kam nicht einmal mehr dazu ein bis zweimal die Woche für eine Stunde mit dem Rennrad loszufahren.
Zumindest versuchte ich noch unseren Rentner „Jaunti“ etwas zu bewegen, da er sich partout weigerte auf sein Altenteil zu gehen. Aber Reiten konnte man dass auch nicht nennen.
An Segeln war überhaupt nicht mehr zu denken. Obgleich es mir gerade in deiser Zeit wohl geholfen hätte, erst gar nicht in ein „Burnout“ abzugleiten.
Aber nein – Frank schafft das schon!
Als Jaunti sich entschloss doch sein Altenteil anzutreten, wagte ich gar nicht meine Idee endlich wieder zu Segeln mit Claudia zu besprechen. Ich dachte vielmehr, dass meine Zeit als Segler wohl leider vorbei sei und ich mich damit abzufinden hatte. Claudia ist eine begeisteret Reiterin und ich würde sie nie für das Segeln begeistern können. Ausserdem hatte ich ja keine Zeit. Immerhin bedurfte meine Apotheke noch stärker meiner Aufmerksamkeit als je zuvor.
So kam es, dass ein Freund mir sein junges Pferd „Clifton“ zum Kauf anbot. Er selbst konnte es nicht mehr reiten, da er durch seine Rückenbeschwerden nicht in der Lage war die Bewegungen von Clifton auszugleichen. Alles schien zu passen. Immerhin war Reiten kein so zeitintensives Hobby wie Segeln und ausserdem könnte ich vielleicht dadurch mehrere Wünsche vereinen. Ich hätte ein wenig mehr Zeit für mich, könnte mich trotzdem um meine Apotheke kümmern und würde wenigstens etwas mehr Zeit mit meiner Frau verbringen können.
Nur leider machte ich die Rechnung ohne den Wirt.
Konnte ich unser altes Pferd nebenbei bewegen, erforderte Clifton hunderachtzig prozentige Aufmerksamkeit. Zudem stieg die Arbeitsbelastung in der Apotheke noch weiter an. Und da kam es, wie es kommen musste.
Da ich immer alles alleine gemanaged hatte und so jeder von meiner unbeschränkten Kraft überzeugt war, Probleme alleine und effizient zu lösen, merkte niemand die Warnsignale und es stieg die Einsamkeit in mir auf. Keine Einsamkeit wie beim Segeln, in der man zum Denken kommt. Vielmehr diese dunkle Einsamkeit eines dunklen Lochs. Pure Hoffnungslosigkeit. Die Diagnose: „Burnout“!
Ich lag am Boden. Weder wurde ich meinem Beruf gerecht, noch meinem Pferd und schon recht nicht meiner Beziehung zu meiner Frau. Alles war zuviel.
Nur konnte man ein Pferd nicht einfach in der Box stehen lassen. Aber selbst war ich nicht mehr in der Lage dem Pferd gerecht zu werden. Zwar halfen Freunde hier und da aus. Aber das Wahre war es nicht. Und dann im Frühjahr 2014 die niederschmetternde Diagnose.
Aber erstaunlicherweise lag ich nicht wieder am Boden wie im vorhergehenden Herbst. Vielmehr kam ich zum Denken. War es vielleicht ein Hinweis? Sollte ich über mein jetziges Leben im Ganzen nachdenken? Wartete etwas Anderes auf mich?
So dachte ich immer wieder über meine Erfahrungen als Segler nach. Wie ich bei langen Törns zum Denken kam. Die Sterne über mir bewunderte und mich eins fühlte mit dem Leben. Zugleich war ein Boot glücklich, wenn man es ein-, zweimal die Woche bewegte und nahm keinen Schaden dran, wenn man einmal partout keine Zeit hatte.
Ich sprach mit Claudia darüber und war überrascht, dass sie wirklich Interesse am Segeln hatte und es sich vorstellen konnte auch längere Törns mit mir zu segeln. Und zu dieser Zeit war auf der Internetseite des deutschen Folkebootverbandes die Verkaufsanzeige für „lille HAPS“.
Lille HAPS lag im Hamburger Yachthafen und so konnte es ja nicht schaden, sie sich einmal anzuschauen. Sicherlich hatte sie Macken und war garantiert heruntergekommen, so dass ich mich schnell abwenden könnte.
Dies war aber nicht der Fall.
Vielmehr ist sie eine gepflegte Schönheit, der man ihre Jahre wirklich nicht ansieht. So kam es, wie es kommen musste. Noch in der gleichen Woche machte ich einen Besichtigungstermin mit dem vorherigen Eigner aus und in der Woche darauf, war sie bereits Bestandteil unseres Lebens.
Auch wenn ich jetzt manchmal wieder Angst vor meiner bewiesenen Courage habe, hoffe ich doch in meinem Innersten, dass sich diese Entscheidung zum glücklichsten Wendepunkt meines Lebens mausern möge. Vielleicht gar der Anfang von etwas gänzlich Neuem ist.