Ein großer Lehrmeister ist gegangen
Jeder Abschied schmerzt. Erst recht wenn man achtzehn Jahre miteinander verbracht und vieles gemeinsam erlebt hat. Eine Ära fand gestern ihr jähes Ende und es ist mir immer noch unbegreiflich, wie schnell es vorbei sein kann.
Jaunti kam 1998 in unser Leben und sollte es von Grund auf umkrempeln.
Es war kurz nach einem Lehrgang im Hauptgestüt Neustadt / Dosse, welchen man getrost als desaströs bezeichnen konnte. Ich war drauf und dran alles hinzuwerfen und meine Reitstiefel in die Ecke zu stellen. Kurz zuvor hatte Adrian Butler, der damalige Reitlehrer im Reitstall Klövensteen, einen dunkelbraunen Wallach erstanden welcher jetzt den Schulbetrieb ganz schön aufmischte.
Niemand kam mit diesem Pferd zu Recht. Es war groß, heftig und galt sehr schnell als unreitbar. Doch hatte sich Claudia sofort in ihn verliebt und er sollte bald wieder zum Händler zurück, da er einer Reiterin beim Springen einen Kehlkopf Anbruch verpasst hatte. Und so erstanden wir dieses namenlose Pferd am 27. Juli 1998 vom gerade zur Abholung angereisten Händler. Wir erfuhren zudem, dass dieses Pferd, welchen Markus den Namen „XXL“ verpassen wollte, in Wirklichkeit „Jaunti“ hieß.
Die ersten Wochen waren wirklich spannend. Jaunti machte seinem Namen („to jaunt“: eine Spritztour machen) alle Ehre und ging regelmäßig durch. Dies tat er jedoch in seiner stoischen Ruhe im Schritt. Sehr schnell merkten wir, dass die „Kringelreiterei“ nicht wirklich sein Gebiet war und es ihn über farbige Stangen zog. Es hätte uns eigentlich schon von Anfang an klar sein müssen. Spätestens nachdem Adrian ihn, kurz bevor wir ihn kauften, freispringen lies.
Kleine Halle, die wirklich großen Ständer, bis oben hochgezogen und das Pferd nimmt sie kurzerhand aus dem Trab. Auch wenn er ein holländisches Warmblut war, so ist er doch eigentlich von der Abstammung ein reiner Holsteiner. Nur eine kleine Linie von Seiten der Mutter war Gelderländer. Und nein: Jaunti war definitiv kein Kaltblut sondern hatte fast dreiviertel Vollblut Anteil.
Die ersten Springstunden waren spannungsgeladen und Claudia lag demnach mehr unten, als das sie oben war. Doch gab sie nie auf. Ein echter Reitkrimi, welcher die Ränge im Reitstall Klövensteen immer wieder aufs Neue füllte. Doch irgendwann hatten sie den Bogen raus. Und mit Sönke Cuhls fand sie den Springtrainer, dem sie vertraute und so ging es dann Stück für Stück vorwärts. Im Jahre 2005 wurden Jaunti und Claudia Vereinsmeister im Springen im Elbdörfer und Schenefelder Reiterverein.
Einige Jahre zuvor, es müsste 2001 oder 2002 gewesen sein, kam der erste Kontakt mit der Vielseitigkeit. Jeanette Harbeck fragte damals Claudia, ob sie nicht gerne mit zu Johannes Beck – Broichsitter zum Geländetraining kommen möchte. So fuhren die Beiden dann auch in das damals nicht weit entfernte Heist und infizierten sich mit dem Geländevirus. Zudem war die ruhige Art von Johannes die Basis für das Selbstvertrauen welches Claudia nun bekam.
2006 folgte dann unser Umzug nach Dithmarschen und Jaunti wechselte vom Reitstall Klövensteen nach Dingerdonn. Leider waren jetzt das Ausreitgelände nicht mehr so nah am Stall, doch dafür wurde Jaunti jetzt endgültig zum mustergültigen Niederländer mit regelmäßigen „Wohnwagen“ – Fahrten. Der Trainingsradius erstreckte sich nun von Süderlügum an der dänischen Grenze bis nach Neu Wulmstorf im Süden. Es entwickelte sich zudem auch die Freundschaft zu Inken Johannsen (Inken Gräfin Platen Hallermund) und zu Willi Feil wodurch Claudia noch mehr Sicherheit und Vertrauen bekam.
2009 zog Jaunti dann in den Stall Westerdeich zu Willi Feil, um dort noch bessere Trainingsmöglichkeiten zu haben. Leider machte sich dann aber 2010 seine Arthrose deutlich bemerkbar und wir entschlossen uns Jaunti das Gnadenbrot zu geben. Kurz danach kam „Wishi“ in unser Leben.
Des Gnadenbrotes erster Teil währte nicht allzu lang. Jaunti empfand sich noch nicht als Rentner und so nahm ich ihn nach nur einem Weidesommer jetzt alleine unter den Sattel. Allerdings wurde die Boxenhaltung für Jaunti zum Problem und er wurde immer steifer. So ging er dann 2013 endgültig in den Ruhestand.
Im Spätsommer 2015 mussten wir Jaunti dann noch einmal von der Weide nehmen, da er sich eine schwere Mauke zugezogen hatte und durch ein Hufgeschwür lahm ging. Nach einem ACTH Test stand dann auch sehr schnell fest, dass er zudem unter equinen Cushing litt. Hierdurch war auch die Infektanfälligkeit bedingt. Wir entschlossen uns ihn fortan mit Pergolid (Prascend (R) ) zu behandeln, wodurch es ihm wirklich besser ging. Allerdings war der katabole Stoffwechsel nicht mehr aufzuhalten. Er wurde weniger und weniger.
Gestern nun lag er in seiner großen Laufbox auf der Seite und kam nicht mehr alleine hoch. Nachdem wir mit gemeinsamen Kräften und der Mithilfe vieler Helfer mehrmals versucht hatten ihn wieder auf die Beine zu bekommen, musste ich einsehen, dass seine Zeit gekommen war.
Es war sehr ruhig. Ich war die ganze Zeit bei Ihm. Und nachdem das Pentobarbital injiziert war, glitt er langsam von uns. Hinüber auf die große Weide. Keine Gegenwehr. Nur Friede.
Ich lag noch lange bei ihm und streichelte Jaunti über sein langsam kälter werdenden Körper. Ich dachte in Dankbarkeit an die schöne Zeit, die ich mit ihm hatte. Daran, wie ich ihm oft Unrecht tat. Daran, wie er mir immer wieder vergab und mir Stück für Stück den richtigen Umgang mit Pferden beibrachte.
Nie hätte ich mir einen besseren Lehrmeister wünschen können. Einen besseren Gefährten. Ich weiss, eines Tages sehen wir uns wieder.
Jaunti wurde 25 Jahre alt. Ein gesegnetes Alter für ein so großes Pferd. Er hatte keinen guten Start und gelangte über das Händlerkarussel in einen Schulstall und dann sofort zu uns. Er galt als völlig unreitbar und ging dann doch M – Springen, ein Sterne Vielseitigkeit und L – Dressur. Danke, dass Du bei uns warst und unser Leben bereichert hast.